Pressemitteilung

Vernissage 30.06.2025 Vernissage 30.06.2025
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Eröffnungsrede zur Ausstellung: Chaos, Kunst und Algorithmen – von Zeiträumen, Raumzeiten und Zwischenwelten

Liebe Kunstfreunde, liebe Interessierte,

zunächst möchte ich mich bei Ihnen bedanken, dass Sie heute Abend hierhergekommen sind, um sich auf diese Ausstellung einzulassen. Ich bin mir bewusst, dass das, was Sie hier sehen werden, vielleicht nicht ihrem klassischen Verständnis von Kunst entspricht. In der Tat: Reine Mathematik konsequent kreativ und gestalterisch einzusetzen, um Kunst zu erschaffen, ist − soweit ich weiß − einzigartig und vielleicht sogar in dieser Form weltweit ohne Beispiel. Und vielleicht ist genau das der Grund, warum es sich lohnt, genauer hinzuschauen.

Ich werde öfter gefragt, wie jemand wie ich – Mathematiker, seit seiner Jugend mit Computern vertraut – zur Kunst kommt. Mein Abiturzeugnis von vor fast 50 Jahren spricht in der Tat Bände gegen diese Möglichkeit. Die Antwort ist daher alles andere als geradlinig, aber vielleicht gerade deshalb interessant. Vermutlich kennen sie das auch: Sie suchen etwas Bestimmtes und finden etwas Unerwartetes, nach dem sie nie gesucht haben, das unerhört spannend ist und von dessen Existenz Sie nicht einmal wussten.

Auch ich habe etwas ganz anderes gesucht, nämlich die Antwort auf die Frage aller Fragen, die bekanntermaßen Zweiundvierzig lautet. Damit war ich nach der Lektüre des Klassikers „The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy“ nicht wirklich zufrieden. Ich denke, vielen von Ihnen sind ähnliche Fragen bereits durch den Kopf gegangen: Wie entsteht natürliche Intelligenz? Was ist eigentlich Bewusstsein?  Das war und ist bis heute meine zentrale Fragestellung – und auf diesem Weg bin ich auf Dinge gestoßen, die ich nicht gesucht hatte, die aber plötzlich eine ganz eigene Faszination entfaltet haben.

Um Missverständnisse zu vermeiden, erlauben Sie mir noch einen kurzen Exkurs zum Thema „Künstliche Intelligenz“ oder kurz KI. Letztere hat mit der natürlichen etwa so viel zu tun wie ein künstlicher Weihnachtsbaum mit einer lebendigen Tanne oder das Ölbild einer Landschaft mit der realen Vorlage. Für meine Bilder spielt KI ausdrücklich keine Rolle und ich nutze auch sonst keinerlei Standardprogramme. Exkurs ende.

Wenn man sich auf die Suche nach den naturwissenschaftlichen Grundlagen intelligenten Verhaltens macht, landet man unweigerlich − nachdem man den wissenschaftlichen Urwald von der Psychologie über Neurologie,  Biologie, Chemie durchwandert hat − in den Kellergewölben der Physik. Und dort bei der Quantenmechanik, den Wellen, Wellengleichungen, unberechenaren Zufällen – und bei sehr abstrakter Mathematik in vielen Dimensionen. Um mir das besser vorstellen zu können und meiner Intuition auf die Sprünge zu helfen, habe ich begonnen, die mathematischen Strukturen sichtbar zu machen. Auch in der Mathematik sind bildliche Vorstellungen unabdingbar, um wirkliche Fortschritte zu erzielen. Strenge Logik und Formalismen alleine sind eher so etwas wie die Sicherungshaken, die ein Bergsteiger einschlägt, um nicht abzustürzen. Wenn der dabei allerdings den Gipfel aus den Augen verliert, kommt er nirgendwo hin. Ich wollte einfach wissen: Wie sieht das eigentlich aus, womit ich da rechne?

Was dabei herauskam, war … anders. Die Muster, die sich zeigten, waren nicht nur korrekt, sondern auch seltsam ästhetisch. Sie hatten eine Art von Ordnung, die man eher fühlt als dass man sie beschreiben könnte – und zugleich eine Art inneres Eigenleben. Und so begann ein Prozess: Da ich seit meiner Jugend neben meiner Leidenschaft für die Mathematik auch so flüssig programmiere, wie andere vielleicht eine Grußkarte oder einen Aufsatz schreiben, nutze ich den Computer für meine künstlerischen Experimente. Irgendwann rückte die eigentliche Forschungsfrage etwas in den Hintergrund, weil die gestalterische Seite immer spannender wurde.

Was Sie hier sehen, sind Visualisierungen mathematischer Prozesse. Keine fertigen Vorlagen, die am Ende koloriert wurden, sondern Gleichungen, die – vereinfacht gesagt – mit sich selbst in Wechselwirkung treten, so wie Wellen, die sich überlagern, einander verstärken, auslöschen, Muster bilden.

Manche Bilder sind rein mathematisch erzeugt, andere verschmelzen mit Fotografien. Die Übergänge sind fließend, so wie die Grenzen zwischen Realität und Wahrnehmung oft auch nicht klar gezogen werden können. Viele der Gleichungen im Hintergrund beschreiben natürliche Vorgänge, etwa Wellen auf einem stillen Waldsee oder in Einsteins vierdimensionaler Raumzeit. Die Kolorierungen beruhen auf Farbskalen, die oft der Natur entnommen sind, wie etwa die Farben einer Frühlingswiese, einer Winterlandschaft oder einer Goldwespe.

Mich interessiert dabei weniger die konkrete Form als vielmehr das, was sie beim Betrachter auslöst: Wo erkennen Sie Strukturen? Wo scheint sich etwas zu ordnen – und wo löst es sich wieder auf? Welche Bilder entstehen in Ihrem Kopf?

Vielleicht kennen Sie die Situation: Ein Kind liegt im Gras, schaut in die Wolken, und langsam beginnen sich in dem formlosen Grau Szenen zu zeigen. Eine Schafherde vielleicht. Ein Schäfer. Hunde. Bewegung. Realität entsteht nicht aus dem Sichtbaren, sondern aus dem, was wir darin sehen wollen – oder können.

So wie das Kind aus dem Chaos Ordnung macht, so dürfen auch Sie hier heute die Fantasie sprechen lassen. Die Bilder geben keine Bedeutung vor – sie laden ein, eigene Bedeutungen zu finden. Sie fordern heraus. Und manchmal tun sie auch genau das nicht – und wirken einfach nur.

Vielleicht liegt genau darin ihr Reiz.

Ich freue mich sehr, dass ich diese Arbeiten hier in Kreuzau unter dem Titel  „Chaos, Kunst und Algorithmen – von Zeiträumen, Raumzeiten und Zwischenwelten“ zeigen darf. Und ich lade Sie ein, sich auf diese Mischung aus präziser Struktur und freier Assoziation einzulassen.

Und bevor wir gleich mit einem Glas anstoßen, lassen Sie mich schließen mit dem Gedanken, der mir bei all dem immer wieder kommt: Vielleicht ist es genau diese Kombination – aus klarem Denken und freier Vorstellung – die uns ausmacht.

Auf den Verstand – und auf die Fantasie.

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